Definitiv

DEFINITV

 

1985

Rock & Toleranz

 

Rock & Toleranz

"Angst statt Auseinandersetzung Moral ist immer etwas Bünzliges! Es gibt Gruppen und Musiker, die seit Monaten einen grossen Bogen um den Konzertplatz Zürich machen. Der Grund: Das Zürcher Publikum sei intolerant und puritanisch, habe keinen Sinn für Humor, Ironie und Satire. Dass da was dran ist, haben schon verschiedene Gruppen - im wahrsten Sinne des Wortes - am eigenen Leib erfahren. Mothers Ruin, The Bucks, MosCowboys zähl(t)en zu den prominentesten und besten Schweizer Rock-Bands und doch, oder gerade deswegen (?), wurden Konzerte von ihnen in Zürich massiv gestört, bis zum Abbruch. Wie haben die betroffenen Musiker. Silvia Holenstein (SH) von den Mother's Ruin, Rams (RA) von den Bucks und Albert Kühn (AK) von den MosCowboys diese Vorfälle erlebt, wie beurteilen sie die heute, haben sie ihre Einstellung geändert deshalb? Die FabrikZeitung hat sich mit den drei Musikern unterhalten.
SH: Der Vorfall vom 'Monster 81' als wir unser Konzert vorzeitig abbrechen mussten, hat eigentlich eine lange Vorgeschichte, die auch von dummen Missverständnissen geprägt ist. Im Sommer 80, während der ersten Bewegungszeit gehörten wir noch richtig dazu und spielten u.a. auch auf dem Lastwagen im Platzspitz. Am 'Monster 80' gab's dann ein erstes Mal Lampen, als Leute vom Rebhügel während unseres Konzertes etwas durchgeben wollten. Wir hatten keine Ahnung worum's ging und wollten unsere letzten beiden Songs noch spielen, denn der Gig und die Stimmung waren gut. Wären wir vorher informiert worden, hätte vielleicht alles anders ausgesehen, aber so waren wir völlig verblüfft, als auch einer der Veranstalter gesagt hat, wir sollen die jetzt ihre Durchsage machen lassen. Es kam zu einem kleineren Fight ums Mikrophon und wir spielten schliesslich fertig. Gedient war niemandem, denn nachher war das Publikum sauer auf die Besetzer/Störer und wir wurden vor allem von der linken Scene als unsolidarisch angegriffen, ich als "Kommerzschlampe" verteufelt. Da die Stadt das Monster finanziell unterstützt hatte, ging dann auch noch das Gerücht um, wir stünden auf der Seite der Stadt und arbeiteten gegen die Anarcho- und Sponti-Scene. Vielen hatte auch unser Styling nicht gepasst, das eben nicht mehr einfach 'Punk' war.
Nachdem wir auch ans 'Monster 82' eingeladen wurden, war uns klar, dass es Lampen geben könnte. Du spürst sofort auf der Bühne, wenn die Stimmung im Saal geladen ist. Wir halten uns vorgenommen, sofort aufzuhören, wenn etwas passiert und so ist es bekanntlich auch gekommen. Unser erstes Stück war ein Salsa, ja eben... mit Tanzen und so. Beim zweiten, härteren Stück kam eine Frau auf die Bühne, nahm mir das Mikrophon weg und warf es ins Publikum. Ich stiess sie weg und schliesslich versuchten andere Leute unseren Drummer von der Bühne zu zerren. Wie abgemacht, brachen wir unser Konzert ab, später hiess es dann wir seien 'von der Bühne heruntergeholt worden', was eigentlich gar nicht stimmt.
Im ersten Moment checkten wir nicht worum's ging, so dass wir gar nicht reagieren konnten. Später erfuhr ich dann, dass ich mich total sexistisch gebärdet hätte. Der Videoladen, der die protestierenden Feministinnen kannte, wollte eine Diskussion zwischen mir und ihnen inszenieren, doch, obwohl ich da sehr gern mitgemacht hätte, kam das ganze nicht zustande, weil's hiess, ich checkte die Problematik sowieso nicht. (...)
RA: "Jede Menge Bands macht Migros-Tourneen. Eine gute Sache, die Migros organisiert und gibt den Stutz, schlägt aber zero Kapital daraus. Nichts passiert bis die Bucks kommen, das hat für mich einfach keine Logik. Wenn's wenigstens sowas wie ein 'Parteiprogramm' gäbe, an dem sich Bands orientieren könnten...
AK: Ihr wart eben eine Band für die Reingläubigen, die Szene-Puristen, Denen leuchtet halt nicht ein, dass mit dem Kulturprozent-Rappen von den M-Hörnli, die sie selbst auch kaufen, ihre Band unterstützt wird. Ihre Band, die doch sicher auch auf den Dinosaurier Migros sauer sein muss. Ich find's unbegreiflich, wie man sich Früste und Enttäuschungen im Leben dermassen vorprogrammieren kann.
Albert, die MosCowboys haben indirekt ja auch schon für die Migros gespielt, an den CH-Rock-Vearan taltungen im Kursaal Bern. Hat das auch eine Rolle gespielt, als ihr in der Kanzleiturnhalle von der Bühne gepfiffen wurdet? wie lief das für euch überhaupt ab?
AK: Offenbar hat sich das Ganze schon an den Cowboy-Hüten entzündet. Wir hatten an diesem Tag wunderschöne Hüte gekauft und die dann ganz naiv angezogen. Man hat uns nachher gesagt, ihr hättet euch doch denken können, dass das hier nicht drinliegt. - Das haben wir uns eben nicht gedacht....
Nun ja, uns war bald klar, dass es einen spannenden Abend absetzen würde, denn schon während des ersten Stücks wurde Bier gespritzt und so. Beim vierten Stück hatten wir keinen Strom mehr und liessen's dann bleiben. Die Reaktionen im Stil 'es passt mir nicht, wie du daherkommst', haben mich einfach sprachlos gemacht, was willst du da noch sagen oder argumentieren?
Interessant war für mich das Publikum an diesem Abend. Auf der einen Seite die Coolen, die gar nichts machten, einfach warteten was abgeht und vielleicht sogar das Konzert sehen wollten und auf der anderen Seite diejenigen, die sich total aufregten und fanden, das könne man doch nicht machen, diese Aufmachung, diese banalen Texte, diese Musik. Richtig angeschissen haben mich jene, die die Stimmung abcheckten und dann via Knüffe zum Nachbarn, Zwischenrufe und Pfiffe eine aggressive Stimmung gegen uns aufgebaut haben. Wohlgemerkt ohne uns am offenen Mikrophon anzusprechen oder mir nachher eine Antwort zu geben. (...)
SH: Es ist doch schön, mit frechen Attributen aufzutreten. Was wollen die Leute denn, schön uniformierte Bands, ja nichts besonderes, das möglicherweise nicht ins vorgefasste Denkschema passt?
RA: Dass es bei den Mother's Ruin wegen eines Minirocks resp. bei den MosCowboys wegen Cowboyhüten Lampen gibt, find ich einfach total krank.
SH: Etwas anderes, dessen Bedeutung ich erst im Nachhinein so richtig kapiert habe, war die Tatsache, dass wir damals von unsern Texten und unserer Aufmachung her, eine sehr ironische Band. waren. Und das checkten die Leute eben einfach nicht. Das gehört ins Kapitel Humor und Ironie, der Sinn dafür scheint in Zürich total unterentwickelt. Beim Beau Lac de Bâle-Konzert etwa, da sehen die Leute Miniröcke und Schubi-du-Chörchen und schon heisst's 'aha, das isch doch sexistisch - die müemer abehole!' Eine sehr verklemmte Haltung, bünzliger als bünzlig. Aber in Zürich hat das ja Geschichte, Stichwort Zwingli. Aber den Puritaner Zwingli erwarte ich nicht in der Roten Fabrik, in der Szene." (...)
Und die MosCowboys würden die nochmals in der Kanzleiturnhalle auftreten?
AK: Ja sicher.
Mit Cowboyhüten?
AK: Das ganz bestimmt!
(gekürzt aus der "Fabrik Zeitung" Nr.5, Juli 1985/Gesprächsleitung Daniel Hitzig und Roli Fischbacher)

soundtrack

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Heartbeat 03:12 Sarah Röben

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